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Entwendung eines Autos während Probefahrt durch vermeintlichen Kaufinteressenten

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Sachverhalt:

Bei der Klägerin, die ein Autohaus betreibt, erschien ein vermeintlicher Kaufinteressent für ein als Vorführwagen genutztes Kraftfahrzeug (Mercedes-Benz V 220 d) im Wert von 52.900 €. Nachdem dieser hochwertige Fälschungen eines italienischen Personalausweises, einer Meldebestätigung einer deutschen Stadt und eines italienischen Führerscheins vorgelegt hatte, wurden ihm für eine unbegleitete Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines „Fahrzeug-Benutzungsvertrages“ ein Fahrzeugschlüssel, das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug, das Fahrtenbuch- und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt. Der vermeintliche Kaufinteressent kehrte mit dem Fahrzeug nicht mehr zu dem Autohaus zurück. Kurze Zeit später wurde die Beklagte in einem Internetverkaufsportal auf das dort von einem Privatverkäufer angebotene Fahrzeug aufmerksam. Die Beklagte, die die vorgelegten Fahrzeugunterlagen nicht als gefälscht erkannte, schloss mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Ihr wurden nach Zahlung des Kaufpreises von 46.500 € das Fahrzeug, die Zulassungspapiere, ein passender sowie ein weiterer – nicht dem Fahrzeug zuzuordnender – Schlüssel übergeben. Die zuständige Behörde lehnte eine Zulassung ab, da das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeuges und des Originalschlüssels; die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage die Feststellung ihres Eigentums an dem Fahrzeug sowie die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere und des Zweitschlüssels.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Marburg hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte die Klage unter Abweisung der Widerklage Erfolg. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hat die Beklagte das Eigentum an dem Fahrzeug nicht kraft guten Glaubens erworben. Zwar begegne die Annahme des Landgerichts, die Beklagte sei gutgläubig im Sinne des § 932 BGB gewesen, keinen Bedenken. Ein gutgläubiger Erwerb scheitere aber daran, dass der Klägerin das Fahrzeug im Sinne des § 935 BGB abhandengekommen sei. Der vermeintliche Kaufinteressent sei nur als ihr Besitzdiener im Sinne des § 855 BGB anzusehen, dessen Besitzkehr zu einem unfreiwilligen Besitzverlust der Klägerin geführt habe. Sie habe durch die Prüfung und Ablichtung der von dem angeblichen Kaufinteressenten vorgelegten Dokumente (Ausweis, Führerschein, Meldebestätigung), die Vereinbarung der ständigen telefonischen Erreichbarkeit, die Zurückhaltung der Original-Zulassungspapiere und die Anbringung von roten Kennzeichen dokumentiert, dass die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft über das Fahrzeug jederzeit und ausschließlich von ihrem Willen abhängig gewesen sei. Sie habe über die angegebene und funktionsfähige Mobilfunknummer jederzeit den Abbruch der Probefahrt anordnen können. In dem formularmäßigen „Fahrzeug-Benutzungsvertrag“ sei die Kennzeichnung als Probefahrt anstelle eines Mietvertrages vorgenommen worden. Hinzu komme die sehr kurze Nutzungsdauer und der allgemeine Umstand, dass die Benutzungsberechtigung im Rahmen einer Probefahrt ganz überwiegend als Teil der Vertragsanbahnung anzusehen sei.

Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und ihre Widerklage weiter.

Vorinstanzen

Landgericht Marburg, Urteil vom 25. April 2018, Az. 1 O 158/17

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 17. Dezember 2018, Az.15 U 84/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

  • 932 Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten

(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des § 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.

(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

  • 935 Kein gutgläubiger Erwerb von abhanden gekommenen Sachen

(1) Der Erwerb des Eigentums auf Grund der §§ 932 bis 934 tritt nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war.

(2) …

  • 855 Besitzdiener

Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer.

Karlsruhe, den 10. Juni 2020

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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